AI-Human-Hybrid: Verbesserte Teleophthalmologie für Retinopathie-Screening

AI-Human-Hybrid-Workflow verbessert die Teleophthalmologie für das Screening auf diabetische Retinopathie

Die Zahl der Menschen mit Diabetes mellitus nimmt weltweit zu. Selbst bei der derzeitigen Prävalenz haben schätzungsweise nur 15,3 % der Betroffenen Zugang zu den empfohlenen Augenuntersuchungen. Sogenannte Store-and-Forward-Verfahren teleophthalmologischer Screening-Programme, die mit auf künstlicher Intelligenz (KI) basierender Bildinterpretation arbeiten, bieten sich als eine Alternative zur persönlichen Untersuchung durch Spezialisten an.
Im Rahmen der folgenden Studie wird die diagnostische Leistung von IDx-DR (Digital Diagnostics Inc., Coralville, IA- ein von der FDA zugelassenes autonomes Testgerät für DR) mit humanbasierter Teleophthalmologie über zweieinhalb Jahre verglichen.
Darüber hinaus evaluieren die Autoren einen KI-Mensch-Hybrid-Workflow, der das Screening von KI-Systemen mit einer fachmännischen, menschlichen Beurteilung, für Fälle mit einer Indikation zur Weiterbetreuung, kombiniert. Teilnehmer dieser prospektiven Kohortenstudie waren Diabetiker ab 18 Jahren ohne DR-Diagnose oder DR-Untersuchung im vorherigen Jahr, die sich für ein routinemäßiges DR-Screening in einer Klinik für Grundversorgung vorstellten.

Die Ergebnisse wurden retrospektiv analysiert.

Makula- und Sehnerven-zentrierte Fundusfotos (in Miosis aufgenommen) wurden durch einen KI-Algorithmus ausgewertet, gefolgt von einer konsensbasierten Auswertung durch Netzhautspezialisten im Stanford Ophthalmic Reading Center (STARC). Bei Nachweis einer mehr als milden diabetischen Retinopathie (MTMDR) wurde dieser mit einer persönlichen Untersuchung durch einen Netzhautspezialisten verglichen.
Der AI-Algorithmus hatte eine höhere Sensitivität (95,5 % Sensitivität; 95 % Konfidenzintervall (KI), 86,7–100 %), aber eine geringere Spezifität (60,3 % Spezifität; 95 % KI, 47,7–72,9 %) für die Erkennung einer MTMDR im Vergleich zu Fernbildinterpretation durch Netzhautspezialisten (69,5 % Sensitivität, 95 % KI 50,7–88,3 %; 96,9 % Spezifität, 95 % KI 93,5–100 %).

Auch die Einteilung in Gradierungen der Fälle fiel beim KI-Algorithmus geringer (62,5 %) als bei den Netzhautspezialisten (93,1 %) aus.

Ein zweistufiger KI-Mensch-Hybrid-Workflow, bei dem der KI-Algorithmus zunächst eine Bewertung durchführte und dann ein Netzhautspezialist die MTMDR-positiven Ergebnisse mit beurteilte, ergab eine Sensitivität von 95,5 % (95 %-KI 86,7–100 %) und eine Spezifität von 98,2 % (95 %-KI 94,6–100 %). In ähnlicher Weise verbesserte ein zweistufiges Overread, bei von der KI-nicht bewertbaren Bildern durch Retina-Spezialisten, die Bewertbarkeit von 63,5 % auf 95,6 %.

ZUSAMMENFASSUNG:

Die Studie zeigt die Machbarkeit eines hybriden Caseload-Sharing-Modells, das sowohl autonome KI als auch Store-and-Forward-Teleophthalmologie für das Screening auf diabetische Retinopathie kombiniert. Das System startet mit einem autonomen KI-basierten Screening, das für die meisten Patienten eine Diagnose stellt und fast alle Fälle mit MTMDR erfasst. Die geringere Spezifität der AI im Vergleich zu menschlichen Experten kann durch einen KI-Mensch-Hybrid-Workflow ausgeglichen werden, bei dem positive Fälle vor der Überweisung zur persönlichen Untersuchung durch Experten nochmals kontrolliert werden. Ebenso können fast alle Patienten, deren Aufnahmen durch die KI kein Ergebnis liefern konnten, von einem erfahrenen Leser aus der Ferne asynchron beurteilt werden.

Somit kann eine hybride Implementierung von KI, in einem auf Menschen basierenden Teleophthalmologie-DR-Screeningsystem, sowohl die Abhängigkeit von der Expertise menschlicher Spezialisten verringern als auch die diagnostische Genauigkeit verbessern.

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Quelle: Eliot R. Dow, M.D., Ph.D. ,Nergis C. Khan, A.B. ,Karen M. Chen et al.;AI-Human Hybrid Workflow Enhances Teleophthalmology for Diabetic Retinopathy Screening, , JournalPre-Proof, May 12, 2023,DOI:https://doi.org/10.1016/j.xops.2023.100330

Die Design-Pille aus dem 3-D-Drucker

Der Auflösungsprozess ist ein allgegenwärtiges und zugleich faszinierendes Phänomen. Objekte mit der gleichen Masse, aber unterschiedlichen Formen können sich unterschiedlich schnell auflösen, was bei Medikamenten wie Tabletten wiederum zu schnellen und verzögerten Freisetzungsprofilen ihres Wirkstoffes führt. Mit dem 3-D-Druck können komplexe Formen hergestellt werden, die neue Möglichkeiten für die Entwicklung angepasster Designs zur kontrollierten Freisetzung von Medikamenten eröffnen.
Eine Gruppe um Vahid Babaei, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Informatik, und Julian Panetta, Professor an der University of California in Davis, errechnete die Auflösungszeit verschiedener Formen von Tabletten durch mathematische Modellierung und Experimente. Das Team setzt dabei erstmals auf ein inverses Design und die sogenannte Topologieoptimierung.

Erst legten sie das Zeitintervall fest, in dem die Pille ihren Wirkstoff freisetzen soll. Dann berechneten sie die Form, die genau dieses Freisetzungsprofil aufweist. Dafür nutzten sie ein Modell, welches errechnet, wie sich Körper mit unterschiedlichen Formen in einer Flüssigkeit auflösen. Diese Formen druckte das Team nun aus einem wasserlöslichen Material, das im 3-D-Druck auch kommerziell verwendet wird. Und die im Computer designten Tablettenmodelle lösten sich ziemlich genau im zuvor berechneten Zeitintervall auf. Damit sich auch Tabletten mit bizarren Formen noch schlucken lassen, könnten sie aus einem weichen Trägermaterial produziert oder mit einer schnell löslichen Kapsel umhüllt werden.
Dieser Ansatz könnte für die pharmazeutische Industrie hochinteressant sein.
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Quelle: Julian Panetta,Haleh Mohammadian, Emiliano Luci, Vahid Babaei,Shape from Release: Inverse Design and Fabrication of Controlled Release Structures
ACM Transactions on GraphicsVolume 41Issue 6, Article No.: 274pp 1-14   / https://www.mpg.de/20337950/tablette-3d-druck-wirkstoff-freisetzung

Niedrig dosiertes Atropin zur Myopiekontrolle bei Kindern (AIM)

Protokoll für eine randomisierte, kontrollierte, doppelblinde, multizentrische klinische Studie mit zwei parallelen Armen in Deutschland

AIM ist eine nationale, multizentrische, prospektive, randomisierte, placebokontrollierte, Doppelt-Blindstudie mit zwei parallelen Armen mit einer Gesamtnachbeobachtungszeit von drei Jahren. Momentan nehmen 18 Studienzentren in Deutschland daran teil.
Es werden nur Kinder kaukasischer Abstammung rekrutiert, um Informationen über diese Population bereitzustellen, da für sie nur begrenzte Daten zur Myopiekontrolle vorliegen.
Die Entwicklung der Myopie wird sowohl durch Messung der zykloplegischen Refraktion als auch der axialen Länge beurteilt.
Aus ethischen Gründen wird die Kontrollgruppe nur ein Jahr lang mit Placebo behandelt, danach wird die Therapie mit 0,01 % Atropin fortgesetzt.
Das primäre Ziel ist es, die Wirksamkeit von 0,02 % Atropin-Augentropfen zur Myopiekontrolle bei Kindern kaukasischer Herkunft zu bewerten. Der primäre Endpunkt ist die Veränderung der zykloplegischen Refraktion nach einem Behandlungsjahr (D/Jahr).  Sekundäre und tertiäre Ergebnismaße umfassen die Veränderung der Achsenlänge (mm/Jahr) bei Kindern, die mit 0,02 % Atropin im Vergleich zu Placebo behandelt wurden, die Myopieprogression bei Teilnehmern, die mit 0,01 % im Vergleich zu 0,02 % Atropin behandelt wurden (D/Jahr und mm/Jahr) und das Sicherheitsprofil von 0,02 % und 0,01 % Atropin.
Darüber hinaus wird die Myopieentwicklung ein Jahr nach Beendigung der Therapie mit 0,02 % Atropin ausgewertet.
Weitere Einschlusskriterien: Kinder im Alter von 8–12 Jahren und eine Myopie von −1 D bis −6 D ,bei einer geschätzten jährlichen Myopieprogression von ≥0,5 D.

Ergänzende Teilstudie – Genetik von Atropin zur Myopiekontrolle bei Kindern (GAME)

Die GAME-Studie ist eine Teilstudie zu AIM. Den Teilnehmern der AIM-Studie wird die Möglichkeit angeboten, ihren individuellen Genetic Myopia Risk Score (GRS) zu bestimmen und den GRS mit der Wirksamkeit einer niedrig dosierten Atropintherapie in Beziehung zu setzen. Zu diesem Zweck werden Mundschleimhautabstriche gesammelt.

Um eine statistische Aussagekraft von 80 % zu erreichen, sind insgesamt 300 Studienteilnehmer geplant. Studienstart war im Oktober 2021 und bis zum 17.4.2023 wurden bereits 150 Kinder rekrutiert.

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Quelle: Farassat N, Böhringer D, Küchlin S, Molnár FE, Schwietering A, Seger D, Hug MJ, Knöbel AB, Schneider-Fuchs S, Ihorst G, Wabbels B, Beisse C, Ziemssen F, Schuettauf F, Hedergott A, Ring-Mangold T, Schuart C, Wolf A, Schmickler S, Biermann J, Eberwein P, Hufendiek K, Eckstein A, Gusek-Schneider G, Schittkowski M, Lischka T, Lagrèze WA. Low-dose AtropIne for Myopia Control in Children (AIM): protocol for a randomised, controlled, double-blind, multicentre, clinical trial with two parallel arms. BMJ Open. 2023 Apr 20;13(4):e068822. doi: 10.1136/bmjopen-2022-068822. PMID: 37080623; PMCID: PMC10124292.

Warum bekommen Bären im Winterschlaf keine Thrombose?

Bei kurzfristigen Immobilitätssituationen nach Verletzungen oder Operationen sind venöse Thromboembolien, wie die tiefe Venenthrombose und Lungenembolien, häufige unerwünschte Komplikationen. Paradoxerweise sind Braunbären im Winterschlaf (langfristig immobilisiert) und Patienten mit Querschnittverletzungen vor dieser Problematik geschützt.

Im Rahmen dieser Studie wurde ein dafür erklärender Mechanismus entdeckt, der bei Braunbären wie auch bei Querschnittsgelähmten vorkommt:
Bei Braunbären werden im Winterschlaf insgesamt 71 Proteine hoch- und 80 herunterreguliert. Das Blutplättchen-Protein mit der größten Differenz zwischen überwinternden und aktiven Bären war das sogenannte Hitzeschockprotein 47, kurz HSP47, das in den überwinternden Bären um das 55-fache herunterreguliert war. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass das Absenken von HSP47 unter Langzeitimmobilisation in verschiedenen Säugetierarten, wie Menschen, Braunbären und Schweinen vorkommt und somit ein evolutionär konservierter, artübergreifender Mechanismus der Thromboseprävention ist.
Durch einen geringen HSP47-Proteinlevel reduziert sich die Interaktion der Blutplättchen und Entzündungszellen – und damit die Thromboseneigung.
Diese neue entdeckte, evolutionär konservierte Thrombozytensignatur kann in Zukunft Grundlage zur Entwicklung neuer Therapeutika sein.
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Quelle: Thienel M, Müller-Reif JB, Zhang Z, Ehreiser V, Huth J, Shchurovska K, Kilani B, Schweizer L, Geyer PE, Zwiebel M, Novotny J, Lüsebrink E, Little G, Orban M, Nicolai L, El Nemr S, Titova A, Spannagl M, Kindberg J, Evans AL, Mach O, Vogel M, Tiedt S, Ormanns S, Kessler B, Dueck A, Friebe A, Jørgensen PG, Majzoub-Altweck M, Blutke A, Polzin A, Stark K, Kääb S, Maier D, Gibbins JM, Limper U, Frobert O, Mann M, Massberg S, Petzold T. Immobility-associated thromboprotection is conserved across mammalian species from bear to human. Science. 2023 Apr 14;380(6641):178-187. doi: 10.1126/science.abo5044. Epub 2023 Apr 13. PMID: 37053338.

Beziehung? Demodex-Befall und Operation Grauer-Star?

Gibt es eine Beziehung zwischen Demodex-Befall und der Grauen-Star-Operation?

In dieser kleinen prospektiven, nicht-komparativen Studie war die Fragestellung, ob bei Patienten nach einer Katarakt-Operation eine erhöhte Inzidenz mit Haarbalgmilben-Befall (Demodex) der Wimpern nachgewiesen werden kann.
Dafür wurde einer Kohorte von Patienten, präoperativ mehrere Wimpern entfernt und auf das Vorhandensein der Demodex-Milbe untersucht. 3 Wochen nach Operation wurden wieder einige Wimpern entfernt und nach der Milbe gesucht, wobei alle Patienten post-operativ lokale Steroide als Tropftherapie erhalten hatten.
Insgesamt wurden 62 Patienten in die Studie eingeschlossen (31 Männer und 31 Frauen).
In der Demodex-positiven Gruppe betrug das Verhältnis von Männern zu Frauen 2:3 (P = 0,2772). Eine Demodex-Kolonisierung wurde in 22,58 % der Proben vor einer Kataraktoperation und in 32,26 % nach einer Kataraktoperation unter der topischen postoperativen Steroidtherapie beobachtet (P = 0,0143).

Somit zeigt sich ein statistisch signifikanter Anstieg der Demodex-Besiedlung der Wimpern nach einer Kataraktoperation. Obwohl die Kolonisierung mit Demodex nicht unbedingt eine Blepharitis auslösen muss, sollte bei Patienten, die über chronische Augenbeschwerden nach einer Kataraktoperation klagen, eine Demodex-Blepharitis in Betracht gezogen werden.

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Quelle: Feldman I, Krausz J, Levinkron O, Gutovitz J, Edison N, Cohen E, Krauthammer M, Briscoe D. Is Demodex Blepharitis connected with cataract surgery? Am J Ophthalmol. 2023 May 29:S0002-9394(23)00218-0. doi: 10.1016/j.ajo.2023.05.016. Epub ahead of print. PMID: 37257549.