Positive Wirkung von Fenofibrat auf das Fortschreiten der diabetischen Retinopathie?

Ergebnisse aus kardiovaskulären Studien deuten darauf hin, dass eine Therapie mit Fenofibrat, einem Medikament zur Senkung des Cholesterinspiegels, die Progression einer diabetischen Retinopathie verringern kann.
Im Rahmen des nationalen Diabetiker-Augen-Screening-Programms (DES) in Schottland wurden Erwachsene mit diabetischer Retinopathie oder Makulopathie, die nicht zum Ophthalmologen überwiesen werden mussten, rekrutiert und beobachtet. Den Teilnehmern wurden nach dem Zufallsprinzip entweder 145-mg-Fenofibrat-Tabletten oder Placebos zugewiesen (tägliche Einnahme oder, bei Personen mit eingeschränkter Nierenfunktion, Einnahme an abwechselnden Tagen).
 Der primäre Endpunkt war die Entwicklung einer überweisungspflichtigen diabetischen Retinopathie oder Makulopathie (basierend auf dem schottischen DES-Einstufungsschema) oder die Notwendigkeit einer Behandlung (intravitreale Injektion, Netzhautlaser, Vitrektomie) der Retinopathie oder Makulopathie.
Insgesamt wurden 1.151 Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer Behandlung zugewiesen. Während eines Zeitraums von 4,0 Jahren kam es bei 131 (22,7 %) von 576 Teilnehmern in der Fenofibrat-Gruppe und bei 168 (29,2 %) von 575 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe zu einem Fortschreiten der diabetischen Retinopathie oder Makulopathie bzw. einem Behandlungsbedarf (Hazard Ratio 0,73; 95 % Konfidenzintervall [CI] 0,58 bis 0,91; P = 0,006). In der Fenofibrat-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe waren die Häufigkeiten für ein Fortschreiten der Retinopathie oder Makulopathie 185 (32,1 %) gegenüber 231 (40,2 %); Hazard Ratio 0,74; 95 % CI 0,61 bis 0,90 und für die Entwicklung eines Makulaödems 22 (3,8 %) gegenüber 43 (7,5 %); Hazard Ratio 0,50; 95 % CI 0,30 bis 0,84.
Siebzehn (3,0 %) Teilnehmer, denen Fenofibrat zugewiesen wurde, und 28 (4,9 %), denen Placebo zugewiesen wurde, erhielten eine Behandlung bei diabetischer Retinopathie (Hazard Ratio 0,58; 95 % CI 0,31 bis 1,06).

Es gab keine Auswirkungen auf die Sehfunktion, die Lebensqualität oder die Sehschärfe. Die durchschnittliche geschätzte glomeruläre Filtrationsrate war bei den Teilnehmern der Fenofibrat-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe um 7,9 (95 % CI 6,8 bis 9,1) ml/min/1,73 m² niedriger.
Schlussfolgerung: Fenofibrat reduziert das Fortschreiten der diabetischen Retinopathie im Vergleich zu Placebo bei Teilnehmern mit frühen Netzhautveränderungen.

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Preiss D, Logue J, Sammons E, Zayed M, Emberson J, Wade R, Wallendszus K, Stevens W, Cretney R, Harding S, Leese G, Currie G, Armitage J. Effect of Fenofibrate on Progression of Diabetic Retinopathy. NEJM Evid. 2024 Aug;3(8):EVIDoa2400179. doi: 10.1056/EVIDoa2400179. Epub 2024 Jun 21. PMID: 38905569; PMCID: PMC7616293.

Das VEXAS-Syndrom

Das VEXAS-Syndrom (Vacuoles, E1 enzyme, X-linked, autoinflammatory, somatic) ist eine monogene Entzündungserkrankung, die durch somatische Mutationen im UBA1-Gen auf dem X-Chromosom definiert wird. Es kann zu vielfältigen Symptomen führen, darunter Fieber, Chondritis, hämatologische Anomalien, Arthritis, Vaskulitis, Hautbefall, Lungeninfiltrate und Thrombose.
Es besteht eine enge Verbindung zu hämatologischen Malignomen wie dem myelodysplastischen Syndrom und Plasmazelldyskrasien.
VEXAS betrifft überwiegend Männer mittleren bis höheren Alters, wobei die meisten Fälle bei Männern über 50 Jahren auftreten. Frauen sind seltener betroffen, oft aufgrund einer X-Chromosom-Monosomie. Die Prävalenz wird auf 1:13.591 geschätzt, bei Männern über 50 auf 1:4.269 und bei Frauen auf 1:26.238.
Augenmanifestationen sind häufig und können früh auftreten. Zu den häufigsten Symptomen gehören periorbitale Ödeme und Augenentzündungen wie Konjunktivitis, Uveitis, Episkleritis und Skleritis. Studien zeigen, dass bis zu 30 % der Patienten eine Augenbeteiligung haben.
Es gibt derzeit keine festgelegten Diagnosekriterien für das VEXAS-Syndrom. Die Diagnose basiert auf dem Nachweis einer UBA1-Mutation durch genetische Tests an Knochenmarks- oder Blutproben.
Die Behandlung besteht hauptsächlich aus Immunsuppression mit Steroiden und anderen steroidsparenden Mitteln wie JAK-Inhibitoren oder Interleukin-Inhibitoren. Schwere Schübe werden mit hoch dosierten Steroiden behandelt. Ruxolitinib und Tocilizumab und andere Immunsuppresiva haben sich als wirksam erwiesen. In schweren Fällen kann eine allogene Knochenmarktransplantation eine potenzielle Heilung darstellen.

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https://eyewiki.org/Ophthalmologic_Manifestations_of_Vacuoles,_E1_Enzyme,_X-linked,_Autoinflammatory,_Somatic_(VEXAS)_Syndrome#:~:text=5%20References-,Disease,gene%20on%20the%20X%20chromosome.
Nakajima H, Kunimoto H. VEXAS syndrome. Int J Hematol. 2024 May 31. doi: 10.1007/s12185-024-03799-9. Epub ahead of print. PMID: 38819628.

Tattoos als Risikofaktor für maligne Lymphome: eine bevölkerungsbezogene Fall-Kontroll-Studie in Schweden

Tattoos sind in den letzten Jahren zu einem beliebten Modeaccessoire geworden.
 Tätowiertinte enthält häufig krebserregende Chemikalien, zum Beispiel primäre aromatische Amine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und Metalle.
 Zudem löst der Tätowiervorgang eine immunologische Reaktion aus, die eine Verlagerung der Tätowiertinte von der Injektionsstelle bewirkt. Die Ablagerung von Tätowierpigmenten in den Lymphknoten ist bewiesen, aber die langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen sind noch nicht wissenschaftlich untersucht.
 Die Autoren haben das schwedische nationale Behördenregister mit vollständiger Erfassung der Bevölkerung herangezogen, um den Zusammenhang zwischen Tätowierungsexposition und malignen Lymphomen insgesamt sowie Lymphom-Subtypen zu untersuchen.
Im Rahmen dieser Auswertung wurden 11.905 Personen eingeschlossen. In der Gruppe mit Lymphom waren 21 % tätowiert, in der Kontrollgruppe ohne Lymphomdiagnose lag dieser Anteil bei 18 %.
„Nach Berücksichtigung anderer relevanter Faktoren wie Rauchen und Alter stellten wir fest, dass das Risiko, an einem Lymphom zu erkranken, bei den Tätowierten um 21 % höher war“, berichtete Erstautorin Christel Nielsen, Professorin in der Abteilung für Arbeits- und Umweltmedizin der Universität Lund in Schweden.
Tätowierte Personen hatten gemäß ihren Ergebnissen ein höheres Risiko für ein Lymphom mit einer Inzidenzrate von 1,21 , was in den ersten zwei Jahren nach der Tätowierung am höchsten ausfiel.

Es gab keine Hinweise auf einen Zusammenhang mit Grösse des tätowierten Hautareals und einem Krankheitsrisiko. Das mit der Tätowierungsexposition verbundene Risiko schien für das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (IRR 1,30) und das follikuläre Lymphom (IRR 1,29) am höchsten zu sein.

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Nielsen C, Jerkeman M, Jöud AS. Tattoos as a risk factor for malignant lymphoma: a population-based case-control study. EClinicalMedicine. 2024 May 21;72:102649. doi: 10.1016/j.eclinm.2024.102649. PMID: 38827888; PMCID: PMC11141277.

Besteht für Patienten, die mit Semaglutid behandelt werden, ein erhöhtes Risiko für eine NAION?

Es häuften sich in den letzten Jahren Vermutungen aufgrund von anekdotischen Berichten und Case Reports, dass Semaglutid, ein Glucagon-like-Peptide-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1 RA), der immer häufiger zur Gewichtsreduktion eingesetzt wird, mit einem gehäuften Auftreten einer nicht-arteriellen anterioren ischämischen Optikusneuropathie (NAION) assoziiert sein könnte.
In dieser retrospektiven, gematchten Kohortenstudie wurden Daten aus einem zentralen Datenregister von Patienten analysiert, die von 2017 bis 2023 in einem akademischen Krankenhaus untersucht wurden. Mittels Propensity Matching wurde untersucht, ob die Verschreibung von Semaglutid bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D) oder Übergewicht/Fettleibigkeit mit NAION assoziiert war, wobei entsprechende Kovariaten wie Geschlecht, Alter, systemische Hypertonie, T2D, obstruktive Schlafapnoe, Fettleibigkeit, Hyperlipidämie und koronare Herzkrankheit sowie Kontraindikationen für die Verwendung von Semaglutid berücksichtigt wurden. Die kumulative Inzidenz von NAION wurde mit der Kaplan-Meier-Methode und einem Cox-Proportional-Hazard-Regressionsmodell, das für potenziell Einfluss nehmende Komorbiditäten angepasst wurde, bestimmt.
Von 16.827 Patienten hatten 710 T2D (194 wurden mit Semaglutid behandelt; 516 mit Nicht-GLP-1 RA-Antidiabetika). 979 waren übergewichtig oder fettleibig (361 unter Semaglutid; 618 erhielten Nicht-GLP-1 RA-Medikamente zur Gewichtsreduktion).
In der Population mit T2D traten 17 NAION-Ereignisse bei Patienten auf, die Semaglutid verordnet bekamen, gegenüber 6 in der Kohorte der Patienten, die keine GLP-1 RA-Medikamente gegen Diabetes erhielten.
Die kumulative Inzidenz von NAION für die Semaglutid- und die Nicht-GLP-1-RA-Kohorte über 36 Monate betrug 8,9 % bzw. 1,8 %. Ein Cox-Proportional-Hazard-Regressionsmodell zeigte ein höheres NAION-Risiko für Patienten, die Semaglutid erhielten (Hazard Ratio [HR], 4,28;).
In der Population der übergewichtigen oder fettleibigen Patienten traten in der Semaglutid-Kohorte 20 NAION-Ereignisse auf, in der Nicht-GLP-1-RA-Kohorte dagegen nur 3.

Die kumulative Inzidenz von NAION in der Semaglutid-Kohorte gegenüber der Nicht-GLP-1-RA-Kohorte betrug über 36 Monate 6,7 % bzw. 0,8 %.
Das Cox-Proportional-Hazard-Regressionsmodell zeigte ein höheres NAION-Risiko für Patienten, denen Semaglutid verschrieben wurde (HR, 7,64; 95 % CI, 2,21-26,36; P < .001).

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verschreibung von Semaglutid tatsächlich mit einem erhöhten Risiko für NAION assoziiert sein könnte, sowohl bei Patienten mit Typ-2-Diabetes als auch bei übergewichtigen/fettleibigen Patienten. Die statistischen Analysen zeigen eine klare Assoziation, wobei insbesondere die Hazard Ratios auf ein erhöhtes Risiko hinweisen.

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Quelle: Hathaway JT, Shah MP, Hathaway DB, Zekavat SM, Krasniqi D, Gittinger JW Jr, Cestari D, Mallery R, Abbasi B, Bouffard M, Chwalisz BK, Estrela T, Rizzo JF 3rd. Risk of Nonarteritic Anterior Ischemic Optic Neuropathy in Patients Prescribed Semaglutide. JAMA Ophthalmol. 2024 Aug 1;142(8):732-739. doi: 10.1001/jamaophthalmol.2024.2296. PMID: 38958939; PMCID: PMC11223051.

Flussdiagramm der vorgeschlagenen Therapiestrategie für chronische RCS:

 

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Quelle: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1350946218300946 / van Rijssen TJ, van Dijk EHC, Yzer S, Ohno-Matsui K, Keunen JEE, Schlingemann RO, Sivaprasad S, Querques G, Downes SM, Fauser S, Hoyng CB, Piccolino FC, Chhablani JK, Lai TYY, Lotery AJ, Larsen M, Holz FG, Freund KB, Yannuzzi LA, Boon CJF. Central serous chorioretinopathy: Towards an evidence-based treatment guideline. Prog Retin Eye Res. 2019 Nov;73:100770. doi: 10.1016/j.preteyeres.2019.07.003. Epub 2019 Jul 15. PMID: 31319157.

Retinopathia Centralis Serosa: Auf dem Weg zu einer evidenzbasierten Behandlungsleitlinie

Die zentrale seröse Chorioretinopathie (CSC) ist eine häufige Ursache für eine Beeinträchtigung des zentralen Sehvermögens, die vor allem Männer im Alter von 20 bis 60 Jahren betrifft. Bis heute gibt es keinen einheitlichen Konsens über die Klassifizierung der CSC. Die Vielzahl der vorgeschlagenen therapeutischen Maßnahmen spiegelt die anhaltende Kontroverse über die Behandlung dieser Erkrankung wider.
Neueste Veröffentlichungen, darunter randomisierte kontrollierte Studien wie die PLACE-Studie sowie umfassende retrospektive Studien, weisen auf die Möglichkeit eines stärker evidenzbasierten Ansatzes zur Bewertung von Behandlungsoptionen hin. Ziel dieser Übersichtsarbeit ist es, einen umfassenden Überblick über die aktuellen Überlegungen und Erkenntnisse zu den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten der CSC zu geben, einschließlich Pharmakologie, Laserbehandlung und photodynamischer Therapie.

Viele Behandlungsstrategien, wie die photodynamische Therapie mit Verteporfin, orale Mineralokortikoidantagonisten und Mikropulslaserbehandlung, haben sich als wirksam erwiesen. Derzeit deuten die vorliegenden Erkenntnisse darauf hin, dass die photodynamische Therapie mit einer reduzierten Verteporfin-Dosis (oder halber Beleuchtung) die bevorzugte Behandlungsmethode bei chronischer CSC sein sollte. Bei akuter CSC könnte ein abwartender Ansatz die beste Vorgehensweise darstellen. Dennoch können je nach individueller Situation des Patienten auch alternative Behandlungsstrategien in Betracht gezogen werden.

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Quelle: van Rijssen TJ, van Dijk EHC, Yzer S, Ohno-Matsui K, Keunen JEE, Schlingemann RO, Sivaprasad S, Querques G, Downes SM, Fauser S, Hoyng CB, Piccolino FC, Chhablani JK, Lai TYY, Lotery AJ, Larsen M, Holz FG, Freund KB, Yannuzzi LA, Boon CJF. Central serous chorioretinopathy: Towards an evidence-based treatment guideline. Prog Retin Eye Res. 2019 Nov;73:100770. doi: 10.1016/j.preteyeres.2019.07.003. Epub 2019 Jul 15. PMID: 31319157.