Die Bedeutung von VEGFR1 in der der retinale Angiogenese und Mikroinflammation

In der VEGF-Familie gibt es 5 Liganden des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor-Rezeptors (VEGFR): VEGF-A, -B, -C, -D und der Plazenta-Wachstumsfaktor [PlGF].
VEGF-A bindet die VEGF-Rezeptoren 1 und 2, wobei VEGF-B und PlGF dies nur bei VEGFR1 erreichen.
Während bisher viel Zeit und Kraft in die Erforschung der Schlüsselrolle von VEGFR2 für die Pathogenese von Netzhauterkrankungen investiert wurde, haben jüngste Ergebnisse die besondere Bedeutung und Beteiligung von VEGFR1 und seiner Ligandenfamilie an der Angiogenese, der vaskulären Permeabilität und mikroinflammatorischen Kaskaden herauskristallisieren können.
Die Expression von VEGFR1 hängt von der Mikroumgebung ab: unter hypoxischen und entzündlichen Bedingungen wird sie unterschiedlich reguliert. Sie konnte in retinalen und choroidalen Endothelzellen, Perizyten, retinalen und choroidalen mononukleären Phagozyten (einschließlich Mikroglia), Müller-Zellen, Photorezeptorzellen und dem RPE nachgewiesen werden.
Während die VEGF-A-Bindungsaffinität von VEGFR1 gut etabliert ist, sind die Konsequenzen der direkten Signalübertragung nicht klar. Eine Aktivierung von VEGFR1 kann die Gefäßpermeabilität beeinflussen und die Produktion von proinflammatorischen und proangiogenen Mediatoren durch Makrophagen und Mikroglia induzieren.
Die Fähigkeit der VEGFR1-Liganden (VEGF-A, PlGF und VEGF-B), miteinander um die Rezeptorbindung zu konkurrieren, erschwert jedoch unser Verständnis dafür, welches der spezielle Beitrag der VEGFR1-Signalgebung bei pathologischen Prozessen wie bei der diabetischen Retinopathie, Gefäßverschlüssen der Netzhaut, Frühgeborenenretinopathie und AMD ist.
Klinisch hat sich die Anti-VEGF-Therapie bei diesen Pathologien als Meilenstein erwiesen, jedoch ist ihr Einfluss auf die Modulation der VEGFR1-Signalgebung immer noch ein weites und vielversprechendes Feld für weitere Forschungsanstrengungen.


Uemura A, Fruttiger M, D’Amore PA, De Falco S, Joussen AM, Sennlaub F, Brunck LR, Johnson KT, Lambrou GN, Rittenhouse KD, Langmann T. VEGFR1 signaling in retinal angiogenesis and microinflammation. Prog Retin Eye Res. 2021 Sep;84:100954. doi: 10.1016/j.preteyeres.2021.100954

Die Auswirkungen des ersten COVID-19-Lockdowns auf die Patientenversorgung im Bereich der Augenheilkunde

In einer Beobachtungsstudie wurden Patienten im Zeitraum des ersten Lockdowns mit einem Zeitraum davor ohne Einschränkungen verglichen. Hierbei wurden insgesamt 12 259 Patienten eingeschlossen.
Insgesamt sank die durchschnittliche Patientenzahl sank um − 59,4 %, wobei dieser Rückgang in allen Bereichen (elektive Fälle, Notfälle, stationäre Fälle, Operationen; p < 0,001) signifikant war. Bei Hoch-Risiko-Patienten zeigte sich ein Rückgang von − 39,6 %. Auch Patienten mit ophthalmologischen Erkrankungen, die ein mögliches erhöhtes Risiko für einen Apoplex implizierten, nahmen signifikant ab. Das Aufarbeiten der verpassten Untersuchungen und Behandlungen wird theoretisch Wochen bis Monate dauern. Um das Morbiditätsrisiko zu reduzieren, empfehlen die Autorinnen ein Priorisierungsmodell für die Wiedereinbestellung nach einem Lockdown-Szenario, welches die Morbidität um bis zu 78 % reduzieren kann.


Schuh A, Kassumeh S, Schmelter V, Demberg L, Siedlecki J, Anschütz A, Kreutzer T, Mayer WJ, Kohnen T, Shajari M, Priglinger S. Effects of the First COVID-19 Lockdown on Ophthalmological Patient Care. Klin Monbl Augenheilkd. 2021 Nov;238(11):1220-1228.

„PRIMAvera“-Studie: Subretinales Implantat für trockene AMD erstmals eingesetzt

Erstmals in Deutschland wurde das bionische Netzhaut-Implantat namens „Prima“ an der Augenklinik Sulzbach am Knappschaftsklinikum Saar eingesetzt. Der Eingriff wurde im Rahmen der europäischen „PRIMAvera“-Zulassungsstudie durchgeführt.
 Neben Sulzbach nehmen noch fünf weitere deutsche Zentren (Bonn, Hamburg,
München, Ludwigshafen und Tübingen) an der Studie teil. Insgesamt sollen 38
 Studienpatienten mit einer postoperativen Nachbeobachtungszeit von 3 Jahren eingeschlossen werden. Bei PRIMA handelt es sich um eine photovoltaische, drahtlose Prothese, wobei der subretinal platzierte Chip zwei mal zwei Millimeter groß ist, was einem Sehwinkel von sieben Grad entspricht. Die Auflösung umfasst 378 Pixel.
Das Brillensystem mit einem angeschlossenen Umwandler, der die mit der Kamera aufgenommenen Bilder in lesbare Einheiten dechiffriert, erinnert sehr an Produkte, die für die RP und andere degenerative Netzhauterkrankungen bereits Marktreife erlangt hatten.


https://www.augenklinik-sulzbach.de/forschung-lehre/klinische-studien/pixium-primavera-studie

Prädiktoren für Keratoplastik bei Keratokonus (KK)

Ziel dieser retrospektiven Studie war es, mögliche sozio-demografische Faktoren und Begleiterkrankungen zu identifizieren, die im Zusammenhang zwischen KK und der daraus resultierenden Notwenigkeit für eine Keratoplastik stehen könnten.
Bei insgesamt 42.086 identifizierten Patienten mit KK wurde bei 1282 (3,0 %) Patienten eine Keratoplastik durchgeführt.
In der Analyse waren zum einem weibliches Geschlecht und das Leben in Ballungsräumen mit einem niedrigeren Risiko verbunden.
Im Vergleich zu Personen im Alter von 10 bis 19 Jahren wurden Patienten aus der Altersgruppe der 20 bis 29- und der 30 bis 39- Jährigen häufiger transplantiert, während Personen in den älteren Altersgruppen (50-64 Jahre) keine statistisch signifikanten Assoziationen aufwiesen.
Weitere Risikofaktoren waren: Hydrops, Lebersche kongenitale Amaurose, Schlafapnoe, Diabetes mellitus und Depression.
Konditionen mit einem geringeren Risiko waren: vorherige Verwendung von Kontaktlinsen und ein Glaukom in der Vorgeschichte.


Thanitcul C, Varadaraj V, Canner JK, Woreta FA, Soiberman US, Srikumaran D. Predictors of Receiving Keratoplasty for Keratoconus. Am J Ophthalmol. 2021 Nov; 231:11-18

Risiko von Gesichtsfelddefekten und Neurodegeneration nach Pars-plana-Vitrektomie bei idiopathischer epiretinaler Membran

Die idiopathische epiretinale Membran (iERM) tritt bei 4 % der Erwachsenen über 40 Jahren auf, wobei die Inzidenz in der alternden Gesellschaft zunimmt.
Studien deuten darauf hin, dass die iERM sowohl die Funktion von Photorezeptorzellen als auch RGCs und/oder deren Axone beeinflusst. Daher ist die Messung des Gesichtsfeldes neben dem zentralen Visus auch für die Beurteilung der Qualität des postoperaiven Behandlungsergebnisses von Bedeutung.

Dies wurde in dieser Studie untersucht.

Prä- und postoperative Gesichtsfeldmessungen (Humphrey-Gesichtsfeldanalyse-programm 30-2) von 30 Augen, die von 2016 bis Juni 2019 wegen einer iERM vitrektomiert wurden, wurden retrospektiv analysiert.

Ein Monat nach PPV wurde in 73,3 % der Augen Gesichtsfelddefekte (GFD) gefunden, wobei dafür das Peeling der inneren Begrenzungsmembran (ILM) als Risikofaktor identifiziert werden konnte.
Die postoperativen GFD wurden häufig nasal beobachtet, während in der OCT eine Ausdünnung der Ganglienzellschicht temporal zur Fovea festgestellt wurde. Zudem wurde eine Ausdünnung der oberen und unteren Nervenfaserschichten sowie der GCL temporal der Fovea nach ILM-Peeling als signifikant messbare Veränderung beobachtet.

Somit muss davon ausgegangen werden, dass ein ILM-Peeling eine innere Netzhautdegeneration verursachen und zur Entwicklung von GFD nach PPV führen kann.


Akino K, Nagai N, Watanabe K, Ban N, Kurihara T, Uchida A, Shinoda H, Tsubota K, Ozawa Y. Risk of newly developing visual field defect and neurodegeneration after pars plana vitrectomy for idiopathic epiretinal membrane. Br J Ophthalmol. 2021 Dec;105(12):1683-1687.

CRISPR-Cas erreicht das Auge

Auf dem XIX. Internationalen Symposium on Retinal Degeneration (RD2021) stellte Editas Medicine im Oktober 2021 erste klinische Ergebnisse für sein Produkt EDIT-101, eine In-vivo-CRISPR-Gen-Editing Therapie für die kongenitale Lebersche Amaurose, vor.
EDIT-101 wird subretinal injiziert, um die Geneditierungstherapie direkt an die Photorezeptorzellen zu liefern.
 Die Daten belegen, dass bei 2 von 3 Patienten in einer Erwachsenen-Kohorte „Signale“ für die Wirksamkeit zu messen waren.
Durch das gute Sicherheitsprofil können nun weitere Patienten in die Hochdosis-Kohorte für Erwachsene (3 × 1012 vg/ml) aufgenommen und behandelt werden – zudem werden Kinder in eine pädiatrische Kohorte mit mittlerer Dosis (1,1 x 1012 vg/ml) eingeschlossen. Die Studie soll Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit von EDIT-101 bei bis zu 18 Patienten aufgeteilt in fünf Kohorten – drei verschiedene Dosierungen bei Erwachsenen, zwei bei Kindern, untersuchen.

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https://ir.editasmedicine.com/news-releases/news-release-details/clinical-data-editas-medicines-ongoing-phase-12-brilliance