Die alternde Retina im Kontext zerebraler neurodegenerativer Erkrankungen

Neurodegenerative (ND) Erkrankungen bilden eine heterogene Gruppe von Veränderungen des Nervensystems unterschiedlicher Ätiologie, Lokalisation und Verlauf. Am bekanntesten ist der Morbus Alzheimer und weitere Demenzen, weil deren Prävalenz in der alternden Bevölkerung hoch ist, sie aber nicht kausal therapierbar sind.

Die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) und das Glaukom sind die häufigsten retinalen ND mit ebenfalls steigender Prävalenz. Sowohl im Gehirn als auch in der Retina gehen Neuronen irreversibel zugrunde und es treten gliale, mikrogliale, extrazelluläre und vaskuläre Reaktionen hinzu, die entweder als Atrophien mit Plaquebildungen (AD) oder als Drusen mit späterer ödematöser Transformation mit Makulaneoangiogenese (AMD) oder als Optikusdegeneration (OD) imponieren. Auf zellulärer Ebene ist die strukturelle und funktionelle Irreversibilität allen gemeinsam, wobei die Therapie auf palliativ Maßnahmen zur Erhaltung vorhandener Restfunktion reduziert. Gezielte präventive Behandlungen gibt es keine. Auf molekularer Ebene sind gemeinsame Marker analysiert worden, um das Verständnis dieser Degenerationen zu vertiefen und gezieltere Behandlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Innerhalb des physiologischen Alterungsprozesses sind Gemeinsamkeiten zwischen Retina und Kortex durchaus vorhanden. Auch pathologische Zusammenhänge und Phänotypen bestimmter altersbedingter Veränderungen zeigen unverkennbare Übereinstimmungen. Es bleibt jedoch zu erforschen, inwieweit zuverlässige retinale Biomarker zukünftig zur Beurteilung physiologischer Alterungsprozesse in Abgrenzung zu pathophysiologischen Vorgängen herangezogen werden können.


Die alternde Retina im Kontext zerebraler neurodegenerativer Erkrankungen, Michael R. R. BöhmSolon Thanos, Klin Monatsbl Augenheilkd 2019; 236(05): 682-690