Migräne ist der wichtigste Risikofaktor für Schlaganfälle im jüngeren Alter

Den meisten Schlaganfällen liegen bekannte Risikofaktoren zugrunde, etwa Bluthochdruck, hohes Cholesterin, Typ-2-Diabetes, Rauchen, Adipositas, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch oder eine Koronare Herzkrankheit (KHK). Neuere Studien weisen jedoch ein zunehmendes Auftreten von Schlaganfällen bei jüngeren Menschen auf, die diese Risikofaktoren nicht aufweisen.
Die Forschungsgruppe identifizierte in einer Krankenversicherungsdatenbank im US-Bundesstaat Colorado 2.618 Personen, die einen Schlaganfall erlitten und matchten sie mit mehr als 7.827 Personen ohne Schlaganfallhistorie. Der Vergleich dieser beiden Personengruppen sollte die Risikofaktoren eruieren, die am häufigsten mit Schlaganfällen verbunden waren.

Die Analyse ergab, dass nicht-traditionelle Schlaganfall-Risikofaktoren wie Migräne, Blutgerinnungsstörungen, Niereninsuffizienz, Autoimmun- und Krebserkrankungen bei Personen im Alter von 18-44 Jahren signifikant mit der Entwicklung eines Schlaganfalles assoziiert sind.
Bei den 18- bis 34-Jährigen waren mehr Schlaganfälle mit nicht-traditionellen Risikofaktoren assoziiert (31,4 % bei Männern und 42,7 % bei Frauen) als mit traditionellen Risikofaktoren (25,3 % bei Männern und 33,3 % bei Frauen).

Migräne war der wichtigste nicht-traditionelle Schlaganfall-Risikofaktor bei den 18- bis 34-Jährigen. Sie war bei 20,1 % der Schlaganfälle bei Männern und 34,5 % der Schlaganfälle bei Frauen assoziiert. Nicht-traditionelle Risikofaktoren spielten in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen bei 26,4 % der Männer und 39,8 % der Frauen eine Rolle, wobei traditionelle Schlaganfall-Risikofaktoren bei Männern mit 32,8 % und bei Frauen mit 39,7 % eine Assoziation zeigten.
Ab 45 Jahren steigt die Bedeutung traditioneller Risikofaktoren: 19,4 % der Schlaganfälle waren bei Männern und 27,9 % der Schlaganfälle bei Frauen mit nicht-traditionellen Risikofaktoren assoziiert. Traditionelle Risikofaktoren machten dabei 32 %, beziehungsweise 38,9 % der Schlaganfälle aus.

Fazit: Jüngere Menschen im Alter von 35-45 Jahren entwickeln einen Schlaganfall eher aufgrund nicht-traditioneller Risikofaktoren wie einer Migräne als aufgrund von traditionellen Risikofaktoren wie Bluthochdruck.

___________________________________________________________________________________________________________________
Quelle: Leppert MH, Poisson SN, Scarbro S, Suresh K, Lisabeth LD, Putaala J, Schwamm LH, Daugherty SL, Bradley CJ, Burke JF, Ho PM. Association of Traditional and Nontraditional Risk Factors in the Development of Strokes Among Young Adults by Sex and Age Group: A Retrospective Case-Control Study. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2024 Mar 26:e010307. doi: 10.1161/CIRCOUTCOMES.123.010307. Epub ahead of print. PMID: 38529631.

Mikroben verantwortlich für trockenes Auge?

Mikrobielle Gemeinschaften in und auf unserem Körper – zusammenfassend als menschliche Mikrobiota bezeichnet – spielen eine wesentliche Rolle für unsere Gesundheit. Obwohl sich viele Studien bisher auf mikrobielle Gemeinschaften in unserem Darm konzentrierten, ist das Verständnis der an anderen Körperstellen vorhandenen Mikrobiota von entscheidender Bedeutung.
Forscher haben mithilfe fortschrittlicher Sequenzierungstechnologie festgestellt, wie sich die Mikrobenmischung bei Patienten mit gesunden Augen von der Mikrobenmischung bei Patienten mit trockenem Auge unterscheidet.

Pallavi Sharma, eine Doktorandin im Forschungsteam der Stephen F. Austin State University Texas, hat Ihre Ergebnisse auf der Jahrestagung der American Society for Biochemistry and Molecular Biology Ende März in San Antonio vorgestellt: „Untersuchungen zum menschlichen Mikrobiom deuten auf einen starken Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und dem Gehirn und den Augen hin… Jede Veränderung des Darmmikrobioms wirkt sich auf andere Organe aus und kann zu Krankheiten führen.“
Für die Studie wurden Abstriche am Auge bei 30 Freiwilligen veranlasst, woraufhin eine 16S-rRNA Sequenzierung und bioinformatische Analyse zur Bestimmung der Mikrobiomverteilung bei Patienten mit gesunden Augen im Vergleich zu solchen mit trockenen Augen durchgeführt wurde.
Die Analyse zeigte, dass Streptococcus- und Pedobacter-Bakterienarten die am häufigsten vorkommenden Mikroben in gesunden Augen waren, während im Augenmikrobiom von Menschen mit trockenem Auge mehr Acinetobacter-Arten vorhanden waren. „Wir glauben, dass die von diesen Bakterien produzierten Metaboliten für trockene Augen verantwortlich sind“, sagte Sharma. „Wir führen weitere Studien durch, um die mit Acinetobacter verbundenen Stoffwechselwege zu verstehen und die Krankheit besser zu verstehen.“
Als Nächstes möchten die Forscher das Darmmikrobiom von Patienten mit trockenem Auge untersuchen, um besser zu verstehen, ob und wie es mit den beobachteten Unterschieden der Augenmikroben zusammenhängt.
____________________________________________________________________________________________________________________Quelle: American Society for Biochemistry and Molecular Biology

Geographische Atrophie: Aktuelle Studien- und Versorgungslage

Basierend auf positiven Phase III-Ergebnissen aus randomisierten placebokontrollierten Studien wurden im vergangenen Jahr die beiden Komplementinhibitoren Pegcetacoplan und Avacincaptad Pegol in den USA von der Food and Drug Administration (FDA) zur Behandlung der geografischen Atrophie zugelassen.

Der primäre Endpunkt bei den Zulassungsstudien war die Verlangsamung der Wachstumsgeschwindigkeit der geographischen Atrophie mit der Zeit. Hierbei wurden signifikante Therapieeffekte nachgewiesen.
 Bezüglich der sekundären, funktionellen Punkte wurde keine Überlegenheit der Behandlung gegenüber der Kontrollgruppe mit der Komplementinhibitionstherapie gefunden. Allerdings erscheint der Endpunkt der bestkorrigierten zentralen Sehschärfe bei dieser Manifestationsform der AMD eher ungeeignet im Gegensatz zu den Anti-VEGF-Studien bei neovaskulärer AMD. In posthoc-Analysen wurden Therapieeffekte für Pegcetacoplan auch bezüglich der Netzhautfunktion gezeigt, so beispielsweise durch Mikroperimetrie-Untersuchungen im Randbereich der geographischen Atrophie, also in genau den Netzhautarealen, welche bei Progression der Erkrankung als nächstes betroffen wären.

Zum Zeitpunkt der Konzipierung der Phase III-Studie standen noch keine adäquaten funktionellen Messverfahren zur Verfügung. Zwar wurden Untersuchungen mit der Mikroperimetrie durchgeführt, doch erst mit weiteren Entwicklungen konnte durch Initiierung der Studien Messverfahren entwickelt werden, die eine deutlich bessere Aussicht besitzen, auch Funktionsvorteile der Therapie zu erfassen.
 In der Zwischenzeit hat sich die europäische Arzneimittelagentur (EMA) zunächst gegen eine Zulassung von Pegcetacoplan ausgesprochen. Aktuell soll nochmals eine Neubewertung stattfinden.

Eine Nichtzulassung würde bedeuten, dass Patienten mit geographischer Atrophie im Rahmen der AMD – im Gegensatz zu Patienten in den USA – keinen Zugang zu einer Therapie hätten. Alternativen stehen nicht zur Verfügung und werden auch bis auf Weiteres nicht verfügbar sein. Dabei könnten vor allen Dingen die Patienten profitieren, bei denen die foveale Sehschärfe noch nicht betroffen ist.
 Insofern ist eine Re-Evaluation seitens der EMA zu begrüßen.

___________________________________________________________________________________________________________________

Quelle: Auszug aus Pro Retina Forschungsnewsletter 19.3. 2024

Diabetisches Makulaödem – ein potenziell neuer Wirkstoff in Erprobung

Eine kürzlich in Nature Medicine veröffentlichte Studie hat vielversprechende Erkenntnisse zu einem neuen Therapieansatz bei der Behandlung des diabetischen Makulaödems enthüllt. Die Studie legt nahe, dass ein experimentelles Medikament, Teil einer neuen Klasse von Therapeutika namens „Senolytika“, den Weg für erfolgreichere und länger anhaltende Behandlungen ebnen könnte.
In Zellkulturmodellen löste eine anhaltende Hyperglykämie in Untergruppen von Gefäßendothelzellen eine zelluläre Alterung aus, die zu einer gestörten transendothelialen Situation mit schlechter Barrierefunktion und zu Mikroentzündungen führte.
UBX1325 oder Foselutoclax bietet einen neuartigen Ansatz, indem es beschädigte, alternde Zellen in der diabetischen Netzhaut gezielt angreift und eliminiert.
Durch die Entfernung alternder Zellen aus der Gefäßeinheit hoffen die Forscher, eine Heilung der Netzhaut zu stimulieren, was im Mausmodell gezeigt werden konnte.
Anschließend wurde eine Phase-1-Sicherheitsstudie mit aufsteigender Einzeldosis von UBX1325 (Foselutoclax) bei Patienten mit fortgeschrittenem DME durchgeführt, für die eine Therapie mit antivaskulärem endothelialen Wachstumsfaktor nicht mehr als sinnvoll angesehen wurde.
Bemerkenswerterweise zeigte die Studie, dass nur eine Injektion von UBX1325 zu positiven Auswirkungen auf das Sehvermögen führte, die mindestens sechs Monate anhielten.
Derzeit bereitet UNITY Biotechnology UBX1325 in der Phase-2II-ASPIRE-Studie eine randomisierte, doppelt maskierte, aktiv kontrollierte Untersuchung vor. Daten aus dieser Studie werden für das vierte Quartal 2024 erwartet und werden weitere Einblicke in die potenzielle Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil des Wirkstoffes bieten.

___________________________________________________________________________________________________________________

Quelle: Crespo-Garcia S, Fournier F, Diaz-Marin R, Klier S, Ragusa D, Masaki L, Cagnone G, Blot G, Hafiane I, Dejda A, Rizk R, Juneau R, Buscarlet M, Chorfi S, Patel P, Beltran PJ, Joyal JS, Rezende FA, Hata M, Nguyen A, Sullivan L, Damiano J, Wilson AM, Mallette FA, David NE, Ghosh A, Tsuruda PR, Dananberg J, Sapieha P. Therapeutic targeting of cellular senescence in diabetic macular edema: preclinical and phase 1 trial results. Nat Med. 2024 Feb;30(2):443-454. doi: 10.1038/s41591-024-02802-4. Epub 2024 Feb 6. PMID: 38321220.

Atersbedingte Kataraktoperationen mit NSAID und Kortikosteroiden

Systematische Überprüfung und Metaanalyse für die postoperative Behandlung altersbedingter Kataraktoperationen mit NSAID und Kortikosteroiden

Für diese Metaanalyse wurden verschiedene Datenbanken (Cochrane, Embase, PubMed, Scopus, Web of Science und CINAHL) mithilfe des Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses (PRISMA)-Systems nach Artikeln durchsucht. Die Bewertung wurde prospektiv bei PROSPERO registriert (CRD42022364733). Eingeschlossen wurden randomisierte, kontrollierte Studien mit Patienten, die sich einer altersbedingten Kataraktoperation unterzogen und mit Kortikosteroiden, NSAID oder einer Kombination davon behandelt wurden.
Insgesamt wurden 19 Studien eingeschlossen, wobei 3473 Patienten (3638 Augen) nach einer Kataraktoperation allein mit NSAID (n = 1479), Kortikosteroiden (n = 1307) oder einer Kombination (n = 687) behandelt wurden.
Die Kombinationsbehandlung zeigte 4 bis 6 Wochen nach der Operation eine bessere Sehschärfe im Vergleich zu Kortikosteroiden (MD = -0,01 logMAR, 95 %-KI: -0,02, -0,01, I2 = 0 %). Die Verabreichung von NSAID alleine zeigten im Vergleich zur Kortikoidmonotherapie nach 1 Woche (MD = -9,17 Photonen/ms, 95 %-KI = -16,52, -1,82, I2 = 94 %) und 2 Wochen (MD = –5.23 photons/ms, 95% CI = –8.35, –2.11, I2 = 94%) und 4 bis 6 Wochen (MD = -1,62 Photonen/ms, 95 %-KI = -3,03, -0,20, I2 = 93 %) einen geringeren Vorderkammerreizzustand. Darüber hinaus entwickelten Patienten, die mit NSAIDs behandelt wurden, 4 bis 8 Wochen nach der Operation eine geringere zentrale Makuladicke (MD = -13,26 µm, 95 %-KI = -18,66, -7,86, I2 = 81 %) im Vergleich zu Patienten, die mit Kortikosteroiden allein behandelt wurden. NSAID und Kombinationsbehandlungen wiesen nach 4-8 Wochen eine geringere Inzidenz eines zentralen Makulaödems auf (OR = 0,16, 95 %-KI = 0,07, 0,35, I2 = 61 %; OR = 0,21, 95 %-KI = 0,10, 0,45, I2 = 31 %) als Kortikosteroide allein.
Fazit: NSAID und Kombinationsbehandlungen können laut dieser Studie als wirksamere und sicherere Alternativen zu Kortikosteroiden allein bei der postoperativen Behandlung von Kataraktoperationen angesehen werden.

___________________________________________________________________________________________________________________

Quelle: Haddad JE, Sabbakh NA, Macaron MM, Shaaban H, Bourdakos NE, Shi A, Saad B, Nakanishi H, Than CA, Daoud YJ. NSAIDs and Corticosteroids for the Postoperative Management of Age-Related Cataract Surgery: A Systematic Review and Meta-analysis. Am J Ophthalmol. 2024 Apr; 260:1-13. doi: 10.1016/j.ajo.2023.09.027. Epub 2023 Oct 4. PMID: 37797866.