Erste Roboter unterstützte subretinale Injektion bei Menschen in Lokalanästhesie

Bei 12 Patienten mit akuter subfovealer Blutung bei exsudativer AMD wurde eine Standard Vitrektomie und dann durch intraoperative OCT gesteuerte subretinale Injektion mit TPA durchgeführt.
Bei 6 Patienten wurde ein Teil des operativen Verfahrens Roboter-assistiert unterstützt: das Vorschieben der Kanüle durch die Netzhaut und deren Stabilisierung während der pedal gesteuerten Injektion von bis zu 100 µl TPA-Lösung.
Ausgewertet wurde der chirurgische Erfolg, die Dauer der Operation, unerwünschte Ereignisse und die Verträglichkeit.
In allen 12 Fällen wurde das Verfahren sicher durchgeführt und gut vertragen.
Bei der Dauer der Operation, dem Ausmaß des retinalen Mikrotraumas, der Verlagerung der Blutung und dem durchschnittlichen Visusanstieg gab es in den beiden Gruppen (bis auf eine Ausnahme) keine signifikanten Unterschiede.
Diese erste kleine Studie am Menschen demonstriert die Durchführbarkeit bei gleichzeitiger Sicherheit einer hochpräzisen, robotergestützten, subretinalen Arzneimittelabgabe als Teil der chirurgischen Behandlung submakulärer Blutungen. Und somit ist auch eine mögliche zukünftige Anwendung in der Gen- oder Zelltherapie denkbar.

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Cehajic-Kapetanovic J, Xue K, Edwards TL, Meenink TC, Beelen MJ, Naus GJ, de Smet MD, MacLaren RE. First-in-Human Robot-Assisted Subretinal Drug Delivery Under Local Anesthesia. Am J Ophthalmol. 2022 May;237:104-113.

Die Blaulichtgefahr versus Blaulicht-Hype

Die sogenannte „Blaulichtgefahr“ ist das Ergebnis experimenteller Befunde, die den Blauanteil des Lichtes bei kurzzeitiger intensiver Exposition als hochgradig toxisch für die Netzhaut nachgewiesen haben.
Dieser Begriff wird mittlerweile kommerziell dahingehend missbraucht, dass selbst Umgebungslicht phototoxische Schäden der Netzhaut verursachen soll, und zum Beispiel zu einer altersbedingten Makuladegeneration (AMD) führt.
In dieser perspektiven Studie werden epidemiologische und biophysikalische Daten zu blaufilternden optischen Chromophoren auf diese Fragestellung untersucht.
Große epidemiologische Studien bleiben nach wie vor den Beweis schuldig, dass Blaulicht-blockende Intraokularlinsen (IOLs) das AMD-Risiko oder -Fortschreiten verringern.
Brillengläser mit Blaulichtfiltern können die Blendung durch Behinderung nicht reduzieren, da die Bild- und Blendungsbeleuchtung im gleichen Verhältnis verringert werden.
Der Blaulichtanteil im Licht, der für eine optimale photorezeptive Funktion von Stäbchen und retinalen Ganglienzellen unerlässlich ist, wird durch fortschreitende altersbedingte Trübung der Augenlinse, Pupillenmiosis und Degeneration von Stäbchen und retinalen Ganglien-Photorezeptoren auf natürliche Weise verringert.
Somit nimmt die tägliche Exposition durch blaues Licht bei älteren Erwachsenen automatisch ab, insbesondere bei Frauen.
Die „Gefahr durch blaues Licht“ wird als Marketingstrategie missbraucht, spezielle Brillengläser und IOLs zu auf dem Markt unterzubringen. Blaulichtblockade bei Pseudophaken mit entsprechenden Filtern in IOLs ist permanent und somit nicht steuerbar. Blaufilternde Chromophore reduzieren dauerhaft die Aufnahme von Blaulicht, das für eine gute geistige und körperliche Gesundheit (z.B. durch Bildung von Melanopsin durch die ipGCR, das die Melatoninausschüttung in der Zirbeldrüse regelt) und für ein optimales skotopisches und mesopisches Sehen mitverantwortlich ist.

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Mainster MA, Findl O, Dick HB, Desmettre T, Ledesma-Gil G, Curcio CA, Turner PL. The Blue Light Hazard Versus Blue Light Hype. Am J Ophthalmol. 2022 Feb 25;240:51-57

Referenzkarte von 5 RPE-Subpopulationen der menschlichen Netzhaut erstellt

Grundlage dieser Forschungsarbeit ist die Hypothese, dass regionale phänotypische und funktionelle Unterschiede des retinalen Pigmentepithels (RPE) mit Netzhauterkrankungen wie der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) und anderen korrelieren.
Diese Arbeit liefert eine Referenzkarte menschlicher RPE-Subpopulationen und ihrer Lokalisation, wobei 5 konzentrisch angelegte RPE-Subtypen in der Netzhaut identifiziert werden konnten.
Untersucht wurden 17 gesunde Spenderaugen ohne bekannte Netzhauterkrankung und 5 Augen mit bekannter AMD.
Um diese detaillierte, morphometrische RPE-Karte des menschlichen Auges erstellen zu können, wurde eine auf künstlicher Intelligenz basierende Software darauf trainiert, RPE-Grenzen zu erkennen, zu segmentieren und zu analysieren.
Der maschinelle Lernalgorithmus für REShaPE wurde mit Bildern von 12.750 handsegmentierten RPE-Zellen trainiert, was zu einer Genauigkeit von 90 % für die Erkennung spezifischer Merkmale RPE-Zellen führte.
Unter anderem wurden spezifische RPE-Subpopulationen als «anfällig» identifiziert, die bei verschiedenen monogentischen und polygenetischen Netzhauterkrankungen spezifische Betroffen- und Anfälligkeitsmuster aufweisen können.
Diese erstmalig erstellte Referenzkartierung des RPE mit seinen Subpopulationen kann die Grundlage für weitere Untersuchungen molekularer und funktioneller RPE-Unterschiede bilden und womöglich zur Entwicklung präziser Zell- und Gentherapien für degenerative Netzhauterkrankungen beitragen.

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Ortolan D, Sharma R, Volkov A, Maminishkis A, Hotaling NA, Huryn LA, Cukras C, Di Marco S, Bisti S, Bharti K. Single-cell-resolution map of human retinal pigment epithelium helps discover subpopulations with differential disease sensitivity. Proc Natl Acad Sci U S A. 2022 May 10;119(19)

Der Anfang vom Ende der Cataract-Chirurgie?

Ein dicht gepacktes Konglomerat aus kristallinen Proteinen sorgt für die optische Klarheit und den einzigartigen Brechungsindex des Linsengewebes. Die menschliche Linse hat nur eine begrenzte Kapazität zur Synthese neuer Proteine. Die Jahrzehnte lange Linsentransparenz wird teilweise durch aB-Crystallin (cryAB) ermöglicht, ein Chaperon, das die Proteinstabilität aufrechterhält.
Altersbedingte Schäden oder Mutationen der Linsen-Chaperonproteine ​​αA- und αB-Kristallin führen zu deren Destabilisierung und Aggregation, die in einer Kataraktbildung gipfeln.
Vor einigen Jahren wurde VP1-001 identifiziert, ein Oxysterol, das die cryAB-Aggregation begrenzen kann.
35 Mäuse (Wildtyp und genmanipulierte Cryaa-R49C und Cryab-R120G-Typen) wurden 2 Wochen lang 3x/Woche mit topischem VP1-001 in einem Auge und einem Vehikel im anderen behandelt und neun Mäuse bildeten die unbehandelte Kontrollgruppe.
Ziel der Studie war es zu messen, wie Katarakt-bedingende Mutationen eine Katarakt entwickeln und ob die Behandlung mit einer VP1-001 Auswirkungen auf die Optik und Transparenz der Linse hat.
Erstens konnte in dieser Studie gemessen werden, dass verschiedene α-Kristallin-Mutationen den Brechungsindexgradienten der Linsen auf unterschiedliche Weise verändern und auch unterschiedlich auf die Therapie reagierten.
Die Ergebnisse der Behandlungsgruppe mit VP1-001 zeigte jedoch eine Verbesserung der Brechungsindexprofile bei 61 % der Linsen, und dieses Ergebnis wurde durch eine messbare Reduktion des Linsentrübungsgrades der Linsentrübung um 1,0 bei 46 % der lebenden Mäuse unterstützt.

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Wang K, Hoshino M, Uesugi K, Yagi N, Pierscionek BK, Andley UP. Oxysterol Compounds in Mouse Mutant αA- and αB-Crystallin Lenses Can Improve the Optical Properties of the Lens. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2022 May 2;63(5):15. doi: 10.1167/iovs.63.5.15. PMID: 35575904; PMCID: PMC9123516.

Die Netzhaut als Fenster zur Diagnose des Morbus Alzheimer?

Studien bei Alzheimer-Patienten und gen-manipulierten Alzheimer-Mäusen haben Pathologien in der Netzhaut gezeigt, die denen im Gehirn ähnlich sind.
In dieser Meta-Analyse aktueller Studien wird erörtert, ob ein nicht invasives Verfahren wie die Optische Kohärenztomographie oder die OCT-A für die Diagnose der Alzheimerschen Erkrankungen genutzt werden kann.
Es konnten 3 Hauptargumente dafür extrapoliert werden:
1.In Ex-vivo- und In-vivo-Studien an AD-Mäusen und AD-Patienten treten folgende parallele Veränderungen auf: Ablagerungen von Aβ und Tau, neurale Degeneration, vaskuläre Ausdünnung und Mikroglia-Aktivierung.
2. Das Gehirn als komplexes Netzwerk ist nicht so einfach zu zugänglich wie die Netzhaut. Aufgrund ihrer im Vergleich relativ einfachen und transparenten Struktur ist die Netzhaut mit nicht-invasiven, hochauflösenden Diagnose-tools wie der OCT schnell und einfach zu untersuchen.
3. Netzhautpathologien können vor Hirnpathologien erkannt werden, was die Chance bieten könnte, die Diagnose Alzheimer früher als bisher stellen zu können.
Problematisch ist, dass andere Netzhauterkrankungen bei älteren Menschen, besonders die altersbedingte Makuladegeneration und Glaukom, bestimmte Manifestationen im OCT aufweisen, die denen der Alzheimer Erkrankung ähnlich oder gemeinsam sind.
Zukünftige Studien sollten daher darauf abzielen, spezifische retinale Biomarker bei der Alzheimer Erkrankung definieren zu können, um eine frühe Diagnose mit einer hohen Sensivität und Spezifität ermöglichen zu können.

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Zhang J, Shi L, Shen Y. The retina: A window in which to view the pathogenesis of Alzheimer’s disease. Ageing Res Rev. 2022 May;77:101590. doi: 10.1016/j.arr.2022.101590. Epub 2022 Feb 19. PMID: 35192959.