Winkelblockglaukom (PACG)

Linsenextraktion bei chronischem Winkelblockglaukom (PACG)

Immer mehr Hinweise deuten darauf hin, dass die Linsenentfernung einen Pupillarblock lindern und dadurch die Augeninnendruck-Kontrolle verbessert werden kann. Daher kann der Vergleich der Wirksamkeit einer Katarakt-Operation mit anderen häufig verwendeten Behandlungsmodalitäten den Entscheidungsprozess beeinflussen.
Die Autoren schlossen acht randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit 513 Augen ein, in denen die Linsenextraktion mit anderen Behandlungsmodalitäten für chronisches Engwinkelglaukom verglichen wurde.
Ergebnisse mit mäßiger Aussagekraft und Datensicherheit zeigten, dass eine Linsenextraktion Vorteile gegenüber der peripheren Laser-Iridotomie bei der Behandlung bei klarer Linsensituation über einen Zeitraum von drei Jahren hat. Letztendlich sollte die Entscheidung für eine Intervention Teil eines gemeinsamen Entscheidungsprozesses zwischen dem behandelnden Arzt und dem Patienten sein. Bei Menschen mit chronischem PACG und Visus relevanter Katarakt gibt es eine nicht stark belastbare Evidenz, dass die Kombination von Phakoemulsifikation mit Visko-Gonioplastik oder Goniosynechiolyse keinen zusätzlichen Vorteil gegenüber der Phakoemulsifikation alleine bietet. Es gab nicht genügend Datensicherheit, um aussagekräftige Schlussfolgerungen hinsichtlich der Phakoemulsifikation gegenüber der Trabekulektomie zu ziehen. Weitere Schlüsse mit geringer statistischer Sicherheit deuten darauf hin, dass die Kombination von Phakoemulsifikation mit Trabekulektomie keinen zusätzlichen Nutzen gegenüber der Phakoemulsifikation alleine bietet und stattdessen sogar weitere Komplikationen verursachen kann. Diese Schlussfolgerungen gelten nur für kurz- bis mittelfristige Ergebnisse.

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Ong AY, Ng SM, Vedula SS, Friedman DS. Lens extraction for chronic angle-closure glaucoma. Cochrane Database Syst Rev. 2021, 24. März; 3: CD005555.Ong AY, Ng SM, Vedula SS, Friedman DS. Lens extraction for chronic angle-closure glaucoma. Cochrane Database Syst Rev. 2021 Mar 24;3:CD005555.

Offenwinkelglaukom

Screening auf Offenwinkelglaukom und Auswirkungen auf die Blindheit

Glaukome sind weltweit eine der führenden Ursachen für irreversible Blindheit. Eine späte Diagnose stellt den Hauptrisikofaktor für die Entwicklung einer Blindheit aufgrund eines Offenwinkel-Glaukoms dar. Somit liegt der Gedanke nahe, dass ein Glaukom-Screening mit früherer Erstdiagnose und anschließender Therapieeinleitung die Prävalenz einer durch Glaukom induzierten Blindheit verringern kann. In Industrieländern sind etwa 50 % der Glaukom-Patienten nicht diagnostiziert.
In den 1990er Jahren führten schwedische Wissenschaftler das größte jemals durchgeführte Screening auf Offenwinkel-Glaukom in Malmö durch, an dem 44.243 Probanden teilnahmen. Zwanzig Jahre später bot dieses Screening eine einzigartige Gelegenheit, die Auswirkung dieses Screenings auf die Glaukom-Entwicklung zu untersuchen.
In dieser retrospektiven Kohortenstudie wurden die Aufzeichnungen von Glaukom-Patienten überprüft, die vom 1. Januar 1987 bis zum 31. Dezember 2017 die Augenklinik des Universitätsklinikums Malmö besucht hatten. Patienten, die bei oder nach dem Screening diagnostiziert wurden, wurden auf mittelschwere oder schwere Sehstörungen untersucht, die die Autoren nach WHO-Definition als Sehbehinderung oder Blindheit bezeichnen. Sie korrigierten zudem eine mögliche Selektionsverzerrung, indem sie aus einer Vergleichsgruppe klinischer Patienten eine Gruppe potenzieller Screening-Teilnehmer zusammenstellten.

Die kumulative Inzidenz von Blindheit betrug 0,17 % in der untersuchten Population gegenüber 0,32 % unter den potenziellen Teilnehmern; und für Sehbehinderung 0,25 % gegenüber 0,53 %. Das Risikoverhältnis (95 % CI) zwischen beiden betrug 0,52 (0,32–0,84) für Blindheit und 0,46 (0,31–0,68) für Sehbehinderung.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass ein Bevölkerungsscreening eine Glaukom bedingte bilaterale Sehminderung und Blindheit um etwa 50 % reduzieren kann.

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Aspberg J, Heijl A, Bengtsson B. Screening for open-angle glaucoma and its effect on blindness. Am J Ophthalmol. 2021 Apr

Erbliche Netzhautdegeneration

Neues Forschungskonsortium TargetRD gegen erbliche Netzhautdegeneration 
startet

Ein neues Forschungskonsortium „TargetRD“ (RD steht für Retinal
 Degeneration) hat das Ziel, neue Behandlungsformen gegen erbliche
 Netzhautdegenerationen zu entwickeln. Dazu soll eine neuartige Gruppe von
 pharmakologischen Wirkstoffen untersucht werden. Die
 Federführung liegt bei François Paquet-Durand vom Tübinger
 Forschungsinstitut für Augenheilkunde. Das Bundesministerium für Bildung
und Forschung (BMBF) fördert die Arbeit in den kommenden zwei Jahren mit
über 1,1 Millionen Euro.

Bei bis zu 30 Prozent der von einer erblichen Netzhautdegeneration 
betroffenen Patienten wird der beobachtete Photorezeptorverlust auf
molekularer Ebene durch einen Überschuss an dem Botenstoff cGMP ausgelöst.
 In Vorarbeiten konnten Partner des TargetRD-Projektes bereits zeigen, dass
 die Hemmung von cGMP Zielproteinen (Targets) das schnelle Fortschreiten der 
cGMP-abhängigen Netzhautdegeneration stoppen kann.

Das neue TargetRD-Projekt soll nun in den kommenden zwei Jahren cGMP 
Zielproteine als Targets für neue therapeutische Entwicklungen validieren.
 Hierfür werden die Eigenschaften der Targets in verschiedenen
Krankheitsmodellen untersucht, informierte das BMBF.

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Pressemitteilung Uniklinikum Tübingen vom 18.12.2020; Bundesministerium für Bildung und Forschung; https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/119704/Neues-Forschungskonsortium-gegen-erbliche-Netzhautdegeneration?rt=6678355701623126576d967e489fe028

Covid-19: Verlust des Geruchs bis zu 5 Monate

Der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns kann bis zu 5 Monate nach COVID-19 anhalten

Laut einer vorläufigen Studie, die auf der 73. Jahrestagung der American Academy of Neurology im April 2021 vorgestellt werden wird, können Menschen mit COVID-19 bis zu fünf Monate nach der Infektion ihren Geruchs- und Geschmackssinn verlieren.
An der Studie nahmen 813 Beschäftigte im Gesundheitswesen teil, die positiv auf COVID-19 getestet wurden. Jede Person füllte einen Online-Fragebogen aus und führte einen Heimtest durch, um ihren Geschmacks- und Geruchssinn durchschnittlich fünf Monate nach der Diagnose zu bewerten. Sie bewerteten ihre Geschmacks- und Geruchssinne auf einer Skala von 0 bis 10. Null bedeutete überhaupt keine Wahrnehmung von Geschmack oder Geruch, 10 bedeutete einen starken Geschmacks- oder Geruchssinn. Die Forscher fanden heraus, dass im Mittel die Betroffenen ihren Geruchssinn nicht vollständig wiedererlangten.
Insgesamt 580 Menschen haben bei der Ersterkrankung ihren Geruchssinn verloren. Von dieser Gruppe gaben 297 Teilnehmer oder 51 % an, fünf Monate später ihren Geruchssinn noch nicht wiedererlangt zu haben, während 134 Teilnehmer oder 17 % bei der Bewertung mit dem Heimtest einen anhaltenden Geruchsverlust hatten. Im Durchschnitt stuften die Menschen ihren Geruchssinn nach der Krankheit bei sieben von zehn ein, verglichen mit neun von zehn, bevor sie krank wurden.
527 Teilnehmer verloren während der Ersterkrankung ihren Geschmackssinn. Von dieser Gruppe gaben 200 Personen oder 38 % an, fünf Monate später ihren alten Geschmackssinn noch nicht wiedererlangt zu haben, während 73 Personen oder 9 % bei der Bewertung mit dem Heimtest einen anhaltenden Geschmacksverlust hatten. Im Durchschnitt bewerteten die Menschen ihren Geschmackssinn nach der Krankheit mit acht von zehn, verglichen mit neun von zehn, bevor sie krank wurden.

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Quelle: American Academy of Neurology

Rho-Kinase (ROCK)-Inhibitoren zur Behandlung von Hornhautendothelerkrankungen

Rho-Kinase (ROCK)-Inhibitoren zur Behandlung von Hornhautendothelerkrankungen

Rho-Kinase (ROCK)-Inhibitoren gewinnen in der Augenheilkunde zunehmend an Bedeutung. Sie fördern die Proliferation von Hornhautendothelzellen, erhöhen die interzelluläre Adhäsion und unterdrücken die Apoptose. Auch bei der Fuchs-Endotheldystrophie, Hornhautödemen aufgrund eines akuten chirurgischen Traumas oder anderer Ursachen, sowie bei der Tissue Engineering-Therapie gibt es vielversprechende Ansätze zur topischen Anwendung.
Ripasudil und Netarsudil, die beiden für die ophthalmologische Anwendung verfügbaren ROCK-Hemmer, werden im Allgemeinen mit leichten und vorübergehenden lokalen Nebenwirkungen sehr gut vertragen. ROCK-Inhibitoren revolutionieren die Subspezialität der Hornhaut. Weitere Forschung ist erforderlich, um die Langzeitergebnisse der ROCK-Inhibitor-Therapie mit denen der konventionellen endothelialen Keratoplastik zu vergleichen, einschließlich der Sehschärfe und Endothelzelldichte. Andere Anwendungsindikationen beinhalten die Verwendung von ROCK-Inhibitoren zur Überlebensverlängerung von Hornhauttransplantaten. Frühe Daten dazu scheinen sehr vielversprechend.

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Syed ZA, Rapuano CJ. Rho kinase (ROCK) inhibitors in the management of corneal endothelial disease. Curr Opin Ophthalmol. 2021 May 1;32(3):268-274.

Entwicklung der Myopie

Entwicklung der Myopie von der ersten Brille bis ins Erwachsenenalter: die DREAM-Studie

Ziel dieser retrospektiven Studie ist es, das Fortschreiten der Myopie bei Europäern in Abhängigkeit von Alter und Grad der Myopie von der ersten Verschreibung bis zur stabilen Myopie zu untersuchen.
In der Drentse Refractive Error and Myopia Study wurden ab 1985 Daten einer Niederlassung von Optikern in den Niederlanden ausgewertet. Das erste verschriebene Brillenpaar wurde als sphärisches Äquivalent der Refraktion (SER= spherical equivalent of refraction) ≤ –0,5 D bis ≥ –0,0 D definiert.
Insgesamt 2555 Personen (57,3 % weiblich) konnten in die Studie eingeschlossen werden. Diejenigen mit einer Verordnung vor dem Alter von 10 Jahren zeigten die stärkste Progression (–0,50 D; IQR: –0,75 bis –0,19) und einen signifikant (p <0,001) negativeren mittleren endgültigen SER (–4,48 D; IQR: –5,37 bis -3,42). Alle Kinder, die im Alter von 10 Jahren SER ≤ –3 D entwickelten, waren als Erwachsene stark kurzsichtig (SER ≤ –6 D), Kinder mit einem SER zwischen –1,5 D und –3 D im Alter von 10 Jahren hatten ein 46,0%iges Risiko für eine hohe Kurzsichtigkeit und Kinder mit SER zwischen –0,5 D und –1,5 D hatten ein 32,6%iges Risiko für hohe Myopie. Das Fortschreiten der Myopie nahm mit dem Alter ab; alle refraktiven Kategorien stabilisierten sich nach dem 15. Lebensjahr, mit Ausnahme von SER ≤ –5 D, der bis zum Alter von 21 Jahren jährlich um –0,25 D anstieg.
Viele Kliniken weltweit bieten Myopiekontrolle mit verschiedenen Strategien an. Ein gutes Myopiemanagement erfordert Einblick in den natürlichen Verlauf der Myopie. Klinische Studien haben versucht, Daten von Kontrollgruppen zu erheben, aber die relativ kurze Dauer dieser Studien hat langfristige Vorhersagen unmöglich gemacht.
Diese Studie ist einzigartig, da sie das Fortschreiten der Myopie bis zum Alter von 25 Jahren in einer sehr großen niederländischen Kohorte untersucht.
Aufgrund des klaren Designs kann die DREAM-Studie zur Bewertung des Fortschreitens der Myopie bei kaukasischen Kindern verwendet werden und als Leitfaden für Behandlungskonzepte in Myopiekontrollprogrammen dienen.

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Polling JR, Klaver C, Tideman JW
Myopia progression from wearing first glasses to adult age: the DREAM Study
British Journal of Ophthalmology  Published Online First: 25 January 2021. doi: 10.1136/bjophthalmol-2020-316234

Pathomechanismus der geographischen AMD

Pathomechanismus der geographischen AMD entschlüsselt – Therapieoptionen bereits vorhanden

In einem internationalen Forschungsverbund haben Wissenschaftler des 
Paul-Ehrlich-Instituts den Mechanismus entschlüsselt, der für die Entwicklung
 die Spätform der trockenen AMD, der geographischen Atrophie, verantwortlich ist.
So reichert sich im Zytoplasma der RPE-Zellen die DNA sogenannter transponierbarer ALU-Elemente an. Dabei handelt es sich um bewegliche DNA-Abschnitte, die sich im Genom individueller Zellen ausbreiten können. Die Anreicherung erfolge dadurch, dass ALU-RNA im Zytoplasma dieser Zellen durch bestimmte Enzyme der Wirtszelle in ALU-DNA umgeschrieben werden.

Diese angereicherte ALU-DNA wiederum schädige die Zellen so, dass sie
 schließlich absterben. Es gibt keine Hinweise, dass diese DNA in den Zellkern gelangt und dort das Zellgenom verändert. 
Zur Behandlung kommen bereits bekannte Medikamente infrage, die bisher bei HIV-Infektionen eingesetzt werden. Tatsächlich hemmen diese als Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) bezeichneten Arzneimittel auch die Aktivität der Reversen Transkriptase, die für die Entstehung der fortgeschrittenen geographischen Atrophie verantwortlich ist, nämlich die Umschreibung der von ALU-RNA in ALU-DNA.

Eine Auswertung von Dateien verschiedener US-amerikanischer
 Krankenversicherungen mit mehr als 100 Millionen Patienten über einen Beobachtungszeitraum von 20 Jahren untermauert das Therapiekonzept: Innerhalb der Gruppe der mit diesen Hemmern (NRTI) behandelten Personen seien 40 Prozent weniger an trockener AMD erkrankt als Personen ohne NRTI-Behandlung. Erste klinische Prüfungen für NRTI bzw. ihrer als Kamuvudine bekannten Derivate sind bereits initiiert worden.

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Fukuda S, Varshney A, Fowler BJ, Wang SB, Narendran S, Ambati K, Yasuma T, Magagnoli J, Leung H, Hirahara S, Nagasaka Y, Yasuma R, Apicella I, Pereira F, Makin RD, Magner E, Liu X, Sun J, Wang M, Baker K, Marion KM, Huang X, Baghdasaryan E, Ambati M, Ambati VL, Pandey A, Pandya L, Cummings T, Banerjee D, Huang P, Yerramothu P, Tolstonog GV, Held U, Erwin JA, Paquola ACM, Herdy JR, Ogura Y, Terasaki H, Oshika T, Darwish S, Singh RK, Mozaffari S, Bhattarai D, Kim KB, Hardin JW, Bennett CL, Hinton DR, Hanson TE, Röver C, Parang K, Kerur N, Liu J, Werner BC, Sutton SS, Sadda SR, Schumann GG, Gelfand BD, Gage FH, Ambati J. Cytoplasmic synthesis of endogenous Alu complementary DNA via reverse transcription and implications in age-related macular degeneration. Proc Natl Acad Sci U S A. 2021 Feb 9;118(6)